Untrennbar mit der Geschichte des früheren Zollamtes Sassnitz auf der Insel Rügen verbunden ist die der sogenannten „Königslinie“. In diesem Jahr besteht der Eisenbahnfährverkehr zwischen Sassnitz und dem schwedischen Trelleborg einhundert Jahre. Zwölf Jahre zuvor, mit der Eröffnung der ersten Postdampferlinie, wurde das Zollamt Sassnitz gegründet, welches im Jahre 1996, nach dem Beitritt Schwedens zur EU, wieder aufgehoben wurde. Mit der Geschichte der Königslinie befaßt sich der nachfolgende Beitrag von Joachim Wöllner. Wöllner verrichtete über viele Jahre Dienst beim Grenzzollamt Sassnitz und ist heute Pressesprecher des Sassnitzer Fischerei- und Hafenmuseum e.V.

Der 100. Jahrestag der Eröffnung des Eisenbahnfährverkehrs zwischen Sassnitz und Trelleborg wird in Deutschland und Schweden feierlich begangen.

Diese Fährverbindung hat für beide Seiten hohen Nutzen gebracht und alle Wirrnisse der Zeiten stets überstanden.

Interessant ist die Geschichte der Entstehung der Fährlinie und ihrer Entwicklung.

1899 bildete sich in Trelleborg ein Komitee für Fährschiffsfragen, das sich für den Bau einer Eisenbahn-Trajektanlage zwischen Deutschland und Schweden einsetzte.

Erste positive Erfahrungen mit derartigen Verkehrsanlagen wurden in Dänemark und seit 1903 durch den Betrieb der Fähre zwischen Warnemünde und Gedser gesammelt. In Deutschland wurde man aufmerksam. Es gab starke Kräfte in der Wirtschaft, die einen zügigen Eisenbahntransport zwischen beiden Ländern favorisierten.

Zur Linienführung zwischen Deutschland und Schweden gab es mehrere Interessengruppen. So entstanden Vorschläge, die zweifellos kürzere Strecke zwischen Wittow-Trelleborg, mit den deutschen Endhäfen in Dranske, Vitt bei Arkona oder Breege-Juliusruh auf der Insel Rügen zu schaffen. Die Stralsunder Handelskammer wollte die südliche Trajektstation zunächst in Kloster auf Hiddensee sehen. Als sich heraus gestellt hatte, dass eine Brückenverbindung zwischen dem Festland und Hiddensee außerordentlich schwierig herzustellen wäre, wurde Barhöft vorgeschlagen.

Die Barther Kaufmannschaft wollte Barth als Ausgangspunkt sehen.

Nach sorgfältiger Prüfung entschieden sich die deutschen und schwedischen Eisenbahnverwaltungen im Staatsvertrag vom November 1907 für den Trajektweg zwischen Sassnitz und Trelleborg.

Im folgenden Frühjahr begann der Ausbau des Sassnitzer Hafens: Die Aufschüttung des Geländes für den Hafenbahnhof, für das Post- und Zollgebäude, die Güterschuppen, für die Kaianlagen, Fährbetten und Landungsbrücken sowie den Rangierbahnhof. Die alte Ostmole wurde verlängert, eine Westmole neu gebaut, der so gewonnene Vorhafen auf 6,50 m Wassertiefe ausgebaggert.

Im Sassnitzer Fischerei- und Hafenmuseum sind einige Originalbauzeichnungen für dieses Projekt archiviert.

Im Februar und April 1909 liefen auf der Stettiner Vulkanwerft die Fährschiffe DEUTSCHLAND und PREUßEN vom Stapel, fast gleichzeitig in Newcastle und Göteborg die Fähren DROTTNING VIKTORIA und KONUNG GUSTAF V. Die Schiffe konnten die 106 Kilometer lange Fährstrecke in 4 Stunden und zehn Minuten bewältigen.

Auf dem Hauptdeck waren je zwei Gleise von 80 m Länge verlegt, mit der Zufahrt vom Heck. Es konnten acht D-Zug-Wagen oder 18 Güterwagen aufgenommen werden. Die jeweils zwei Fährbetten, die sich dem Heck der Fähren anpassen wie gefächerte Finger, wurden aus mehreren Reihen Rammpfählen gebildet. Die Landungsbrücken hingen beweglich in hohen stählernen Portalen, damit der jeweilige Wasserstand ausgeglichen werden konnte.

Mit einem feierlichen Staatsakt in Anwesenheit der Monarchen beider Länder wurde am 6. Juli 1909 der internationale Verkehr auf der längsten Eisenbahnfährstrecke der Welt eröffnet.

Der Verkehr entwickelte sich, beeinträchtigt durch die beiden Weltkriege, insgesamt gesehen günstig.

Der Eisenbahn-Fährverkehr wurde nach dem II. Weltkrieg ab 16. März 1948 auf der Route Sassnitz-Trelleborg wieder aufgenommen.

Die erste Großfähre auf dieser Route, das Schiff der Schwedischen Staatsbahnen TRELLEBORG, wurde am 19. April 1958 in Dienst gestellt. Ein Jahr später folgte das Schiff der Deutschen Reichsbahn, die SASSNITZ.

Die SASSNITZ wurde auf der Rostocker Schiffswerft „Neptun“ gebaut. Der Stapellauf erfolgte am 12. Juli 1958 anlässlich der Ostseewoche. Das Schiff wurde zum 50. Jubiläum der Königslinie am 6. Juli 1959 in Dienst gestellt.

Das Eisenbahndeck der SASSNITZ war mit vier Gleisen ausgerüstet. Bei einer nutzbaren Gleislänge von 381 m konnte das Schiff bis zu 20 Güterwagen oder 15 Reisezugwagen aufnehmen. Auf einem Pkw-Deck über dem Eisenbahndeck konnten 30 Fahrzeuge eingestellt werden.

Die SASSNITZ war zur Beförderung von über 1000 Personen ausgelegt. Im Speiserestaurant hatte sie eine Ausstattung mit 154 Plätzen, in einer Cafeteria mit 135, einem Rauchersalon mit 189 Plätzen, ein Promenadendeck und mit weiteren Serviceeinrichtungen einen gediegenen Reisekomfort auf See.

Das Schiff war mit zwei KaMeWa-Verstellpropellern ausgerüstet. Als Antrieb dienten je zwei einfachwirkende 2400-PS-9-Zylinder-Viertakt-Diesel-Motoren des VEB Maschinenbau Halberstadt.

Ein Querstrahlruder im Bug sowie Heck- und Bugruder gewährleisteten die erforderliche Manöverierfähigkeit.

Die SASSNITZ überquerte auf der Königslinie rund 27.000 mal die Ostsee und trajektierte mehr als 700.000 Eisenbahnwagen und über 13.000 Straßenfahrzeuge.

Am 16. September 1986 wechselte die SASSNITZ unter dem neuen Namen SILVER PALOMA zu einer griechischen Reederei.

Weitere geschichtliche Daten zur Entwicklung der Königslinie sind aus der beigefügten Chronologie zu entnehmen.

Für das Zollamt Sassnitz und das heutige Zollamt Mukran hatte der Verkehr auf der Königslinie immer seine Bedeutung. Aufgaben des Zollamtes und seine personelle Größe waren stets und vornehmlich von der Situation auf dieser Linie abhängig.

Mit Genugtuung wurde die aktuelle Entscheidung aufgenommen, dass der Eisenbahnverkehr nach Schweden ab 2010 ausschließlich über den Fährhafen Sassnitz vorgenommen werden soll. Das macht die Menschen auf der Insel Rügen optimistischer.

Ein zusätzlicher Grund, die zahlreichen festlichen Veranstaltungen zum Jubiläum in diesem Jahr mit hoher innerer Anteilnahme zu begehen.
Joachim Wöllner
Mitglied des Vorstandes des Sassnitzer Fischerei-und Hafenmuseum e.V.

www.hafenmuseum.de

Ich danke für die fachliche Beratung Herrn Rudi Dobberth, langjähriger Vizepräsident der Reichsbahndirektion Greifswald für Fährverkehr.

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Zur Geschichte der Königslinie, eine Chronologie

 

Foto 1: Fährbahnhof und Fähranlagen (im Hintergrund) um 1909

Foto 1: Fährbahnhof und Fähranlagen (im Hintergrund) um 1909

 

Foto 2: Ein Fährschiff älterer Bauart verlässt den Sassnitzer Hafen

Foto 2: Ein Fährschiff älterer Bauart verlässt den Sassnitzer Hafen

 

Foto 3: Ein Fährschiff neuer Bauart verlässt den Sassnitzer Hafen

Foto 3: Ein Fährschiff neuer Bauart verlässt den Sassnitzer Hafen


Quelle: Sassnitzer Fischerei- und Hafenmuseum e.V.
Kategorien: Zollgeschichten